Fehlerbetrachtung

Die Methode von Gauß rechnet außerordentlich präzise. Trotzdem muss mit Standortabweichungen gerechnet werden, die vor allem auf Ungenauigkeiten bei der Höhen- und Zeitmessung beruhen. Deshalb sollte hier viel geübt werden. Ein Anfänger kann froh sein, wenn er einen Standort auf 5 Meilen genau bestimmt. Ein Könner bringt es bei ruhiger See auf vielleicht zwei Meilen Standortabweichung.

Man könnte meinen, dass Computer-Apps mit Ephemeriden, die den Greenwichwinkel Grt und die Deklination δ einfach nur nach dem hier beschriebenen Zweimassensystem berechnen, nicht genau genug ist. Doch das ist Unsinn. Computer Apps auf der Basis analytischer Methoden und selbst berechneter Ephemeriden sind in jedem Fall genauer als das bekannte und weit verbreitete Höhendifferenzverfahren von Saint Hilaire.

Beim Höhendifferenzverfahren beruhen Standortabweichungen auf unterschiedlichen Fehlern. Die wichtigsten sind Zeitmessfehler, Höhenmessfehler, Höhenfehler (h > 70°), Gissortabweichungen, schlecht gewählte Zwischenzeiten und am Ende auch Bildpunktabweichungen. Der Gesamtfehler ergibt sich nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz:

    \[F_{total}=\sqrt{F_1^2+F_2^2+F_3^2+ ... +F_n^2}\]

Ein geübter Navigator bringt es in der astronomischen Standortbestimmung auf einem nicht oder nur wenig schwankenden Deck auf eine totale Standortabweichung von 2 NM. Darin enthalten sind dann alle möglichen zufälligen Einzelfehler, wie sie als Beispiel in der nachstehenden Tabelle auftreten könnten.

1 Zeitmessfehler 0,4 NM
2 Höhenmessfehler 1,5 NM
3 Indexfehler 0,2 NM
4 Höhenfehler (h > 70°) 0,4 NM
5 Zeichenfehler 0,2 NM
6 Wahl des Gissortes 0,6 NM
7 gewählte Zwischenzeit 1,0 NM
8 Versegelung 0,4 NM
9 Bildpunktfehler 0,5 NM
Gesamtabweichung in NM: 1,99 2,06 1,92

Mancher mag vielleicht denken, dass bei 2 NM Standortabweichung ein Bildpunktfehler von 0,5 NM bzw. 0,5′ einen Anteil von 25 % haben müsste. Doch so funktioniert die Fehlerfortpflanzung nicht. Jeder zufällige Einzelfehler wirkt immer im Zusammenhang mit dem gesamten Fehlergemenge.

Mit diesen neun Fehlern in der Tabelle, die einzeln negativ oder positiv sein können, errechnet sich nach der oben angegebenen Formel eine wahrscheinliche Standortabweichung von 1,99 nautischen Meilen, wenn in klassischer Manier grafisch und mit einem genauen nautischen Jahrbuch mit dem Höhendifferenzverfahren navigiert wird. Wird nun der üblicherweise mit 0,1′ genaue nautische Almanach gegen eine einfache Ephemeridenberechnung ausgetauscht, die einen maximalen Fehler von 0,5′ zulässt, dann erhöht sich die wahrscheinliche Standortabweichung auf 2,06 nautische Meilen. Das ist genau der Wert, der auch mit einem Computerprogramm auf Basis des Höhendifferenzverfahrens mit integrierter Ephemeridenberechnung erreicht wird und das ist die bisher übliche Art der Digitalisierung.

Wird jedoch mit einem Computerprogramm auf Basis der geometrischen Methode oder der Gauß Methode navigiert, dann entfallen die Fehlernummern 4, 5 und 6 und die wahrscheinliche Standortabweichung sinkt trotz des Bildpunktfehlers von 0,5′ auf 1,92 nautische Meilen, also um ganze 7 %. Wir halten also fest, dass eine Ephemeriden-Ungenauigkeit von maximal 0,5′ statistisch nur eine Standortabweichung von höchstens 3 % bewirken kann, wenn die Gesamtabweichung 2 NM beträgt. Bei einer Standortabweichung von insgesamt 5 NM haben um 5′ abweichende Ephemeriden nur noch einen Anteil von 0,5 %. Außerdem wird auch hier gezeigt, dass das Höhendifferenzverfahren am besten funktioniert, wenn es auch grafisch mit echten Zeichenwerkzeugen auf Papier ausgeführt wird.

Doch wie groß sind den nun wirklich die Abweichungen zwischen einfach berechneten Ephemeriden gegenüber aufwendig und exakt berechneten Ephemeriden und welche Standortabweichungen resultieren daraus? Das Ergebnis zeigt die nachstehende Grafik.

Standortrelevanz und Bildpunktabweichungen bei Verwendung von Ephemeriden, die nach dem Keplerschen Zweimassensystem Sonne-Erde berechnet worden sind.

Zu sehen ist eine ganz enge Korrelation zwischen Bildpunktabweichungen und Standortrelevanz.  Der Begriff Relevanz bedeutet hier, dass der Einfluss der Bildpunktabweichungen um so kleiner wird, je größer die Standortabweichungen durch andere Fehler an sich sind. So geht die Standortrelevanz mit der im Diagramm angezeigten Größe als Einzelfehler in die Fehlermenge ein und wirkt darin aber nur wie ein Einzelfehler nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz.

Interessant ist die höherfrequente Welligkeit der roten Kurve, die auf den Mond zurückgeht. Auf der Umlaufbahn des Erde-Mond-Systems befindet sich der Mond und damit der Systemschwerpunkt aus Sicht der Sonne mal links, mal rechts, mal weiter weg und mal dichter dran am Erdmittelpunkt. Der Erde-Mond Schwerpunkt bewegt sich auf der Umlaufbahn spiralförmig, was die Schwingungen der roten Kurve erklärt. Die großen Wellenbewegungen sind darauf zurückzuführen, dass die Erde die Sonne in einem Jahr umrundet, die großen Planeten Saturn und Jupiter für eine Umrundung aber rund 29,5 bzw. 12 Erdenjahre brauchen. So sieht die Erde während ihres Umlaufs diese Planeten mal in Linie mit der Sonne und mal neben der Sonne, was die Gravitation beeinflusst. Alles in allem haben der Mond und die großen Planeten nur einen Einfluss von 0,5′.

Die Berechnungen der Grafiken erfolgten mit einer Excel Datei, die hier als ephem_versus_pos heruntergeladen werden kann. In dieser Datei werden für jeden Tag des Jahres 2025 für 8:00 UT und 11:00 UT die Ephemeriden nach der auf dieser Seite beschriebenen Methode berechnet und mit den Ephemeriden eines Nautical Almanac verglichen, der Grt und δ mit einer Genauigkeit von 2 Bogensekunden ausgibt. Das Ergebnis dieses Vergleichs zeigt die obige Grafik auf der rechten Seite.

Nachdem dieses erfolgt ist, werden sowohl mit den berechneten Ephemeriden als auch mit den genauen Ephemeriden tägliche und somit 2 x 365 Standortberechnungen unter Anwendung gleicher Höhen von h = 55° und h‘ = 65° nach der Gauß Methode ausgeführt. Alle berechneten Standorte liegen nördlich der Deklinationsbreite und folgen dieser aufgrund der gleichen Höhen. Die Höhen und auch die Lage der Standorte nördlich oder südlich der Deklination können durch Eingaben geändert werden. Die Zeiten können dagegen nur mit etwas mehr Aufwand (suchen und Ersetzen) im Arbeitsblatt 2 der Datei geändert werden, was aber keine neuen Erkenntnisse bringt.