Vom Grundprinzip aus betrachtet gibt es zwischen den beiden Verfahren überhaupt keinen Unterschied. In beiden Verfahren wird ein Standort aus zwei Gestirnshöhen ermittelt und in beiden Verfahren ergibt sich der Standort als Schnittpunkt von zwei Standlinien. Beide Verfahren brauchen manuell gemessene Gestirnshöhen, wozu ein Sextant benötigt wird. Schließlich muss für beide Verfahren ein nautischer Almanach zur Verfügung stehen, aus dem die Positionen des oder der Navigationsgestirne für eine gegebene Zeit herausgelesen werden können.
Das Grundprinzip ist im Bild 1 dargestellt. Zu sehen sind zwei Höhengleichen bzw. Höhenkreise, wie sie sich nach zwei Beobachtungen der Sonne ergeben könnten, wenn diese zu den Zeiten Obs. 1 und Obs. 2 gemacht werden. Höhenkreise sind ein Geschehnis jeder Gestirnsbeobachtung. Jeder Beobachter auf der Erde, der dieselbe Entfernung zum Bildpunkt eines Gestirns hat, wird dieses in gleicher Höhe über dem Horizont sehen. Diese Entfernung ist der Radius des Höhenkreises.
Wenn also ein Beobachter eines Gestirns immer auf der Höhenkreislinie eines gerade von ihm beobachteten Gestirns steht, dann steht er gleichzeitig auch auf der Höhenkreislinie eines beliebig anderen Gestirns, das er von derselben Stelle aus beobachten kann. Zwei verschiedene Bildpunkte liefert auch die Sonne, wenn sie nach einer Zwischenzeit eine andere Position eingenommen hat. Genau darin besteht das Wesen der astronomischen Standortbestimmung sowohl nach dem Höhendifferenzverfahren als auch nach der Gauß Methode. Die Höhenkreise der zwei Gestirne kreuzen sich direkt unter den Füßen des Beobachters, und damit buchstäblich in seinem Standort. Die Aufgabe ist also einfach formuliert: Einen Standort zu ermitteln heißt, die Kreuzung zweier beobachteter Höhenkreise zu bestimmen. In jedem Fall werden sich die Kreise überlappen, und es wird zwei Schnittpunkte geben. Es kommt also auch darauf an, dass bei einer Standortermittlung der richtige Schnittpunkt gewählt wird. Man kann sich jetzt denken, worin der Unterschied der beiden Methoden besteht. Er liegt ausschließlich in den Methoden, die angewandt werden müssen, um die Positionen der Schnittpunkte zu ermitteln.
Die Gauß Methode benutzt hierzu eine Formel, mit welcher der gewünschte Schnittpunkt einfach nur ausgerechnet wird. Dazu wird nichts weiter gebraucht als die Höhe von zwei Gestirnsbeobachtungen und die Zeit, in der sie gemacht wurden. Weil diese Formel riesengroß ist, wurde sie schon von Gauß selbst in einzelne Substitutionen zerlegt, wodurch ein Formelsatz entstand, der aber recht einfach zu digitalisieren ist. Im 19. Jahrhundert war das jedoch nicht möglich, weil es keine Computer gab und so musste man sich eine andere Lösung einfallen lassen.
Diese Lösung bestand darin, dass man an die Höhenkreise in ihrem Schnittpunkt versuchte, Tangenten anzulegen. Dadurch schneiden sich die angelegten Tangenten in genau der gleichen Position, in der sich auch die Höhenkreise schneiden.
Was aber ist nun die Standlinie von Hilaire, warum ist es eine Gerade und was soll sie darstellen? Hier muss man bedenken, dass es im 19. Jahrhundert unmöglich war, einen Kreisbogen in die Seekarte einzuzeichnen. Der wäre bei einem Durchmesser des Höhenkreises von einigen tausend Seemeilen von einer Geraden sowieso nicht mehr zu unterscheiden gewesen. Geometrisch gesehen handelt es sich bei der Hilaire Standlinie also um eine Tangente am Höhenkreis.
Doch die Frage ist, an welcher Stelle der Kreisumfangslinie diese Tangente nun angelegt werden sollte. Da gibt es schließlich unendlich viele Möglichkeiten. Die Lösung war schließlich der Schätzort, der auch als Gissort, DR Position oder Rechenort bezeichnet werden konnte. Man berechnete daraufhin den Kreisradius, dasws dieser durch den Gissort verlief und man berechnete das Azimut, was in diesem Fall ein Kurs vom Gissort auf die Sonne ist.