Astronomisches Jahrbuch für das Jahr 1812, J. E. Bode, Berlin 1809
Erforderliche Eingaben
Die Standortberechnung mit der Gauß Methode lässt sich am besten anhand eines Beispiels erklären. Die nachfolgende Tabelle enthält die dafür erforderlichen Daten. Die in das Programm einzugebenden Daten sind in blauer Schrift angegeben. Die Daten in schwarzer Schrift werden vom Rechenprogramm aus den Eingaben generiert
Nr. | Name | Wert | Bedeutung |
1 | dat | 30.05.23 | Datum der Beobachtung (vom Programm vorgegeben) |
2 | ot | 7:36:07 | Zeitpunkt der ersten Beobachtung |
3 | 46° 37,0′ | Sextantenablesung erste Beobachtung | |
4 | ot_ | 10:03:31 | Zeitpunkt der zweiten Beobachtung |
5 | 72° 0,9′ | Sextantenablesung zweite Beobachtung | |
6 | dmg | 16 | Versegelte Distanz in Seemeilen |
7 | cmg | 330 | mittlerer Kurs der Versegelung |
8 |
grt |
5,14267778294451 | Greenwichwinkel der ersten Beobachtung |
9 |
d | 5,7857699983668 | Deklination der erstenBeobachtung |
10 |
grt‘ | 5,7857699983668 | Greenwichwinkel der zweiten Beobachtung |
11 |
d‘ | 0,37979376565111 | Deklination der zweiten Beobachtung |
12 |
h | 0,817577597746258 | beobachtete Höhe der ersten Beobachtung |
13 |
h‘ | 1,26102737023596 | beobachtete Höhe der zweiten Beobachtung |
Allein für die Standortberechnung arbeitet die App mit 17 nacheinander zu berechnenden Gleichungen. Zuvor müssen die darin enthaltenen Konstanten P und K definiert werden. Mit P wird festgelegt, ob die nördliche oder südliche Überlappung der zwei Höhenkreise als Standort berechnet werden soll. Bei einer Navigation mit der Sonne gilt, dass der nördliche Höhenkreis berechnet wird, wenn man sich nördlich von der aktuellen Deklinationsbreite befindet. Für Mittelmeersegler, die sich ständig nördlich der max. Deklination der Sonne aufhalten gilt wegen 𝜑set >23,44° immer P = 1. Die Formel lautet:
Der Faktor K dient zur Festlegung einer maximalen Zwischenzeit. Die Zahl 1 entspricht dabei einem Tag mit 24 Stunden. Mit wurde K = 0,334 wurde eine maximale Zwischenzeit von etwas mehr als 8 Stunden zwischen zwei Beobachtungen festgelegt. Als Formel wird das wie folgt dargestellt:
Gauß Formeln zur Standortberechnung
Sobald Sextantenablesung und sekundengenaue Zeit der ersten Beobachtung, wie sie in den Zeilen 2 und 3 stehen, in das Rechenprogramm eingegeben worden sind, wird daraus die beobachtete Höhe berechnet und der Höhenkreis kann auf einer elektronischen Karte mit der Position der Sonne, bzw. ihrem Bildpunkt, als Mittelpunkt dargestellt werden. In der App wurde für die Kreislinie die Farbe grün ausgewählt. Berechnungen mit den nachstehend aufgeführten Formeln erfolgen noch nicht.
Nach Ablauf von mindestens einer bis vielleicht sechs Stunden, in diesem Beispiel sind es knapp zweieinhalb Stunden, erfolgt die zweite Beobachtung. Die Daten dieser Beobachtung stehen in den Zeilen 4 und 5. Damit kann nun die Berechnung mit den Gleichungen 1 bis 8 starten. Die rot dargestellten Gleichungen sind dabei notwendige Ergänzungen, zum Ausgleich von Überträgen in den vorhergehenden Substitutionen.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
Die Berechnungen bis hierhin definieren einen Standort, der noch keine Versegelung berücksichtigt. Deshalb muss jetzt eine sogenannte Höhenanpassung erfolgen. Nach der Versegelung befindet sich das Boot an einem anderen Ort, von dem aus die Sonne, so wie sie im Zeitpunkt der ersten Beobachtung am Himmel gestanden hatte, in einer anderen Höhe beobachtet worden wäre. Der Mittelpunkt des Höhenkreises, der Bildpunkt der Sonne, bleibt also derselbe. Nur sein Radius muss neu berechnet werden. Die Höhenanpassung erfolgt nach DOUWES einem holländischen Navigationslehrer aus dem 18. Jahrhundert. Man braucht dazu das Azimut, das mit Hilfe des gerade gefundenen unversegelten Standortes zu berechnen ist. Daraus kann dann aus den Eingaben von versegelter Distanz und abgesetztem Kurs, wie sie in den Tabellenzeilen 6 und 7 angegeben worden sind, der versegelte Höhenkreis berechnet und angezeigt werden. In der App wird der ursprüngliche Höhenkreis nun als gestrichelte Kreislinie dargestellt und der neue versegelte Höhenkreis als durchgehende grüne Linie.
(9)
(10)
(11)
Die Berechnung des versegelten Standortes wird jetzt mit der Höhe hs bei der Substitution Ws gestartet und bis zum Ende fortgesetzt.
(12)
(13)
(14)
(15)
(16)
Zum Abschluss muss neben der Umrechnung der berechneten erdumspannenden Länge auf geografische Längen eventuell noch eine Korrektur erfolgen, weil sogar größer als 3𝜋 werden kann. Dafür gilt:
(17)
Jetzt sind alle Angaben bekannt und der Höhenkreis der zweiten Beobachtung kann auf der elektronischen Karte als roter Kreis dargestellt werden. Im Kreuzungspunkt der roten mit der grünen Kreislinie, der Schiffsposition zum Zeitpunkt der zweiten Beobachtung, wird jetzt auch ein Schiffsymbol dargestellt, das in die angegebene Kursrichtung zeigt. Da auch die genaue Breite feststeht wird 𝜑set durch die berechnete Breite 𝜑s ersetzt und reist auf diese Weise immer mit. Der Breitenkreis ist durch eine graue Linie dargestellt. Zusätzlich wird auch die Versegelung mit einer blauen Linie angezeigt.
Erst durch die in roter Schrift angegebenen Anpassungen sind die Gaußformeln praktisch benutzbar. Trotz dieser nicht ganz unerheblichen Erweiterungen ist ihre Anwendung in einem Computerprogramm problembefreiter, als z. B. die geometrische Methode der „Standortberechnung direkt aus den Höhengleichen“. So muss bei Gauß keine Beobachtungsrichtung angegeben werden, ob die Sonne im Westen oder Osten gesehen wird, was mitunter bei hochstehender Sonne nicht ganz einfach sein kann. Auch wenn die zweite Beobachtung an einem Folgetag erfolgt und die Tageszeit dieser Beobachtung unter der Tageszeit der ersten Beobachtung liegt, wird das von den Gauß Formeln automatisch berücksichtigt. Die Standortlänge ist einfach nur die Summe aus 𝜏s und Grt, ohne dass dabei ein Vorzeichen beachtet werden muss. Das verwundert, denn normalerweise muss beachtet werden, ob die Sonne den Schiffsort bereits überholt hat oder nicht. Dieses 𝜏s hat also nichts mit dem Polarwinkel oder Ortsstundenwinkel 𝜏 zu tun, der sonst immer in den Berechnungen der Astronavigation eine wichtige Rolle spielt. Deshalb: Alle Gauß Formeln sind das Ergebnis einer mathematischen Analyse und keine Ergebnisse von Formeln aus der sphärischen Trigonometrie.
Benutzung der Formeln in einer Excel-Anwendung
Damit die Berechnungen nachvollziehbar sind, wird nachstehend die Anwendung der Formeln in der Tabellenkalkulation Excel gezeigt. Man kann sie problemlos auch in jeder anderen Programmierumgebung verwenden. Die 17 Rechenformeln sind in die Spalte „radiant“ geschrieben worden. Die anderen Spalten dienen lediglich zur Dokumentation. In der Spalte „Grad“ wird das in der Spalte „radiant“ angegebene Bogenmaß nach Multiplikation mit 180°/𝜋 im Gradmaß angezeigt.
P = | 1 | K = | 1 | |
Nr. | Symbol | Name | Grad | radiant |
1 | 𝜃 = | q | 36,846° | 0,6431 |
2 | F = | F | 26,511° | 0,4627 |
3 | V = | V | 82,938° | 1,4475 |
4 | W = | W | 24,742° | 0,4318 |
5 | G = | G | 63,704° | 1,1118 |
6 | 𝜏 = | tau | 46,896° | 0,8185 |
7 | 𝜑 = | j | 37,235° | 0,6499 |
8 | 𝜆* = | prel | 341,550° | 5,9612 |
9 | LHA = | LHA | 313,104° | 5,4647 |
10 | z = | Az | 97,483° | 1,7014 |
11 | hs = | hs | 46,68° | 0,8147 |
12 | Ws = | Ws | 24,544° | 0,4284 |
13 | Gs = | Gs | 63,702° | 1,1118 |
14 | 𝜏s = | taus | 47,120° | 0,8224 |
15 | 𝜑s = | js | 37,121° | 0,6479 |
16 | 𝜆*s = | prels | 341,774° | 5,9651 |
17 | 𝜆s = | ls | 18,226° | 0,3181 |
In den Zeilen 15 und 17 steht am Ende das Ergebnis für den versegelten Standort. Er lautet in diesem Fall
37° 7,28′ N / 018° 13,56′ E.
Die 17, in der Spalte „radiant“ untergebrachten Formeln in Excel Notation sind nachfolgend angegeben. Sie können kopiert und in eigene Excel Anwendungen eingebracht werden.
1 =(grt_-grt)*K
2 =ARCTAN(TAN(d_)/COS(q))+WENN(TAN(d_)/COS(q)<0;PI();0)
3 =ARCTAN(COS(F)*TAN(q)/SIN(F-d))+WENN(F-d>0;0;PI())
4 =P*ARCCOS((COS(V)*TAN(h)/TAN(F-d))*(SIN(h_)*SIN(F)/SIN(h)/SIN(d_)/COS(F-d)-1))
5 =ARCTAN(TAN(h)/COS(V-W))+WENN((PI()/2-(V-W))*P<0;-VORZEICHEN(d)*PI();0)
6 =ARCTAN(COS(G)*TAN(V-W)/SIN(G-d))+WENN((G-d)*P>0;0;PI())
7 =ARCTAN(COS(tau)*COT(G-d))
8 =Grt+K*tau
9 =WENN(Grt-prel<0;Grt-prel+ 2*PI();WENN(Grt-prel>2*PI();Grt-prel-2*PI();Grt-prel))
10 =WENN(LHA>PI();ARCCOS((SIN(d)-SIN(h)*SIN(j))/(COS(h)*COS(j)));(2*PI()-ARCCOS((SIN(d)-SIN(h)*SIN(j))/(COS(h)*COS(j)))))
11 =BOGENMASS(dmg/60)*COS(E24-BOGENMASS(cmg))+h
12 =P*ARCCOS((COS(V)*TAN(hs)/TAN(F-d))*(SIN(h_)*SIN(F)/SIN(hs)/SIN(d_)/COS(F-d)-1))
13 =ARCTAN(TAN(hs)/COS(V-Ws))+WENN((PI()/2-(V-Ws))*P<0;-VORZEICHEN(d)*PI();0)
14 =K*ARCTAN(COS(Gs)*TAN(V-Ws)/SIN(Gs-d))+WENN((Gs-d)*P>0;0;PI())
15 =ARCTAN(COS(taus)*COT(Gs-d))
16 =Grt+taus
17 =WENN(prels>3*PI();2*PI();0)+WENN(prels<PI();-prels;2*PI()-prels)
Ein fertiges Excel Sheet
Eine komplett fertige Excel Datei, die nach dem Vorstehenden programmiert worden ist, kann unter
heruntertgeladen werden. Sie kann auch auf ein Tablet kopiert werden, auf dem MS Excel installiert ist und man kann damit natürlich auch praktisch navigieren. Die Verantwortung einer Benutzung liegt, wie bei jeder Navigationssoftware, beim Schiffsführer.
Die Datei besitzt die drei Arbeitsblätter „Navigation“, „Standortgrafik“ und „globale Grafik“. Auf dem Arbeitsblatt „Navigation“ müssen im blauen Block zunächst die grundsätzlichen Einstellungen, wie Indexfehler des verwendeten Sextanten, der gewöhnlich zu benutzende Sonnenrand, die Augeshöhe über der Wasserlinie und die aktuelle Standortbreite eingegeben werden. Diese gelten dann solange, bis sie geändert werden. Wenn sich also der Himmel zuzieht und eine zweite Beobachtung schnell nur noch mit dem Sonnenoberrand gemacht werden kann, dann ist „Sonnenrand Beob. 2:“ auf „O“ umzustellen. Die anzugebende eigene Breite muss eigentlich nur beinhalten, ob man sich gerade nördlich oder südlich von der Deklinationsbreite befindet. Ostsee- oder Mittelmeersegler können also jede Breite zwischen 23,44° und 90° eingeben und es wird immer der richtige Schnittpunkt der Höhenkreise als Standort berechnet.
Im weiteren Gebrauch sind dann nur noch Eingaben von Beobachtungsdaten und Versegelungen erforderlich. Nachdem Beobachtungszeit und Sextantenablesung der ersten Beobachtung eingegeben worden sind, zeigt die Grafik den zugehörigen Höhenkreis in grüner Farbe. Nach Verstreichen der Zwischenzeit von mehr als einer Stunde, besser zwei Stunden, kann eine zweite Beobachtung erfolgen. Daraus wird nun ein Standort errechnet und die Grafik zeigt einen zweiten roten Höhenkreis. Wenn in der Zwischenzeit weitergesegelt wurde, dann ist die errechnete Position irgend ein Ort auf dem zurückgelegten Weg. Den Schiffsort zum Zeitpunkt der zweiten Beobachtungerhält man erst nach Eingabe des Versegelungvektors, also zurückgelegte Distanz (DMG) und mittlerer Kurs (CMG), der dabei gefahren wurde.
Anhand der Grafik ist natürlich gut zu erkennen, ob die Zeiten der Beobachtungen auch gut gewählt worden sind. Wenn die Kreise wegen einer zu kurz gewählten Zwischenzeit kaum auseinander sind, oder wegen zu großer Zwischenzeit kaum noch überlappen, dann ist die Fehlertoleranz nicht sehr groß. Das bedeutet, dass Messfehler von Zeit oder Höhe einen größeren Einfluß auf eine Standortabweichung nehmen. Messfehler in Zeit oder Höhe wirken sich auf den Durchmesser der Höhenkreise aus, was dann zu Verschiebungen der Schnittpunkte führt. Zwischenzeiten von 2 Stunden bis zu 7 Stunden haben die beste Fehlertoleranz.